Praxis Dr. med. Dr. paed. Dietger Heitele                   

Wir stellen oft fest, daß Menschen, die psychologische Hilfe am dringendsten brauchen, ihr aus dem Weg zu gehen versuchen. »Mir fehlt doch nichts!« erklären sie. »An einem Seelenklempner habe ich keinen Bedarf. Schließlich bin ich nicht verrückt.« In den allermeisten Fällen aber hat die Notwendigkeit einer Psychotherapie nichts oder nur sehr wenig damit zu tun, daß jemand »verrückt« wäre (auch wenn eine kleine Gruppe von Menschen, die sich gegen eine Behandlung wehren, tatsächlich unter schwerwiegenden psychischen Störungen leidet). Unsere Gesellschaft hält jeden dazu an, möglichst unabhängig und autonom zu sein. Folglich widerstrebt es vielen, sich an andere zu wenden oder sich nach professioneller Hilfe umzuschauen, wenn Elend oder Angst überhandnehmen. Sie meinen, Menschen mit einer starken Persönlichkeit könnten über psychische Schwierigkeiten auf jeden Fall aus eigener Kraft hinwegkommen und hätten wenig Bedarf an einer professionellen Therapie. Viele Leute glauben, daß sie intime oder persönliche Dinge am besten keiner Menschenseele anvertrauen - außer vielleicht einem Familienangehörigen, der ihnen sehr nahesteht. Andere denken, psychische Schwierigkeiten würden sich in der Rege[ irgendwann von selbst geben. Wir haben Leute sagen hören, Sorgen oder Probleme würden sich schon von selbst erledigen, wenn man sich nur nicht bei ihnen aufhalte und nicht weiter über sie nachdenke. Die Wahrheit ist: Wer etwas unter den Teppich kehrt, macht nur den Teppich schmutzig. Gelöst ist dadurch nichts, und unter Umständen verschlimmert sich die Situation noch. Leider denken viele Zeitgenossen immer noch, man müsse sich schämen, wenn man zu einem Psychologen, einem Psychiater oder einem anderen Experten für seelische Gesundheit geht. Bedauerlich ist auch, daß viele zu der Vorstellung neigen, es verdiene Bewunderung, wenn ein Mensch mit seinen Problemen, Konflikten oder Ängsten unbedingt ohne fremde Hilfe zu Rande kommen will. Wenn er dann jahrelang vergeblich darum gerungen hat, seine Probleme zu lösen, treibt ihn die Verzweiflung am Ende vielleicht doch noch zu einem Therapeuten. Durch die Verzögerung verschlimmern sich die Probleme natürlich oft. Bei unserer Arbeit als Psychologen haben wir gelegentlich mit solchen Menschen zu tun. Oft brauchen sie bloß ein Antidepressivum, das sie über einen gewissen Zeitraum einnehmen und das meistens schon nach einigen Wochen einen völligen Umschwung in ihrem Leben herbeiführt. Wir können es nicht oft genug sagen: Unnötig zu leiden ist weder sinnvoll noch bewundemswert. Viele gehen einer Psychotherapie aus dem Weg, weil sie irrtümlich annehmen, dort würden nie geahnte finstere Geheimnisse ans Licht gezerrt. Heutzutage aber arbeiten die meisten Therapeuten lösungszentriert und wühlen gar nicht in der Vergangenheit herum

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